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Berichte

Weiden- und Wiesenkomplex Brennerin

 Brennerin:

Die „Brennerin“ zwischen Alt- bzw. Neureichenau und dem Dreisesselgebiet ist ein bedeutendes Rückzugsgebiet für die Biodiversität im Inneren Bayerischen Wald und ein wertvolles Trittsteinbiotop im regionalen Biotopverbund. Diesen Verbund entwickelten wir im Projekt „Quervernetzung Grünes Band“ aktiv weiter und sichern damit Lebensraum für ganz besondere Arten.

Die Brennerin befindet sich im Einzugsgebiet des Großen Michlbachs. Dieser wird aus den Bächen Paulinbach, Brennerbach, Klausbach und dem Schreienden Michl gespeist. An diesen Quellbächen sowie in deren näherem Umfeld liegen zahlreiche offene und halboffene Flächen mit häufig engverzahnten Feucht- und Magergrünlandbeständen, die teils Relikte der dortigen historischen Kulturlandschaft darstellen und teilweise noch immer bewirtschaftet werden. Hier ist seit Beginn an das Ziel, insbesondere die Waldbirkenmaus zu schützen und zu fördern. Doch nicht nur diese: Von der Silberdistel, Pech-Nelke und Arnika angefangen, über die Haselmaus, die Alpen-Spitzmaus bis hin zu Randring-Perlmuttfalter und der Kreuzotter ist eine herausragende Artenzusammensetzung noch in Restvorkommen vorhanden. Durch unsere Maßnahmen sollen die Lebensräume dieser bedeutenden Arten vor einem Verschwinden durch Fichtensukzession und Brache bewahrt werden.


Die Umsetzung
Ziel war die Schaffung eines Mosaiks aus intakten Magerrasen, artenreichen Grünlandbeständen sowie lichten, strukturreichen Wäldern mit in Gewässernähe eingestreuten Nasswiesen- und Hochstaudenflur-Elementen. Unmittelbar nach der Anpacht der Fläche wurde die Fichtensukzession auf den Magerrasenflächen deutlich reduziert oder stellenweise sogar komplett entfernt. Einzelne, eindrucksvolle Fichten blieben als Lebensraumstrukturen bewusst erhalten. In einem kleinen Bereich wurden sogar Wurzelstöcke entnommen und zu wertvollen Reptilienstrukturen aufgetürmt. Die offenen Bereiche begrünten sich mittels einer Mähgutübertragung rasch mit den gewünschten Magerwiesen-Arten.

Zudem konnte bereits ein wesentlicher Teil des dortigen Wiesenwässergrabensystems reaktiviert werden, wobei deren Trasse stellenweise erst einmal von Gehölzaufkommen befreit werden musste. Dadurch entstand zugleich ein erster Wanderkorridor für Insekten wie z. B. Quelljungfern und Tagfalter. Zudem wurden zwei größere und vier kleinere Stillgewässer angelegt. Insgesamt wurden die Flächen durch die Weiher und mittels dreier Wiesenwässergräben wieder feuchter und damit für die Waldbirkenmaus attraktiver gestaltet. Ferner wurden ausgebaggerte Fichtenstumpen zusammen mit noch vorhandenem Astmaterial zu größeren Haufen für Kreuzotter, Berg- und Zauneidechse sowie für die Waldbirkenmaus zusammengeschichtet.

Als wesentlicher Schritt in Richtung der Pflege der Bergmähwiesen und Borstgrasrasen wurden erste Mahd- und Beweidungsdurchgänge vorgenommen, um die Rückentwicklung der artenreichen Magerrasen einzuleiten. Auf Teilbereichen wurde vorbeweidet und somit die Kräuter gefördert und den Gräsern Einhalt geboten. Langfristig sorgt nun ein differenziertes Weidesystem, bei dem Magerrasen- und Grünlandbestände zu jeweils vegetationskundlich optimalen Zeitpunkten gestaffelt – also nach und nach sowie gegebenenfalls auch mehrmals – beweidet werden. Durch die Vielfalt an Pflegezeitpunkten wird eine größere Struktur- und Artenvielfalt erreicht. 

Zielarten
Damit unterstützen wir zahlreiche Arten: Waldbirkenmaus, Kreuzotter, Randring- und Braunfleckigen Perlmuttfalter, Trauermantel, Wachtelweizen-Scheckenfalter, Frühlings-Mohrenfalter, Krauses Greiskraut, Arnika, Silberdistel, Pech-Nelke, Besenheide, Heide-Nelke, Niedrige Schwarzwurzel, Kreuzblümchen und viele mehr!

Jetziger Zustand 

In mehreren Wiesenwässergräben fließt wieder Wasser, das letztlich den Tümpeln und der Vegetation sowie dem Grundwasser zu Gute kommt. Durch lichte Wald- und Strauchbestände sind die Wiesenflächen miteinander verbunden bzw. mit anderen Offenflächen vernetzt. An den angelegten Stillgewässern fliegen nun viele Libellen und der Grasfrosch nutzt sie als Laichgewässer – Arten die vor den Maßnahmen auf dieser Fläche schlichtweg keinen Lebensraum dort hatten. In den zahlreichen Totholzhaufen finden sich Kreuzotter, Ringelnatter, Blindschleiche und jede Menge Zaun- und Waldeidechsen. Sumpfschrecke und Sumpf-Grashüpfer zeigen die feuchten Bedingungen in den Seggen- und Staudenfluren an. Die Hochstaudenbestände mit Mädesüß, Sumpf- und Verschiedenblättriger Kratzdistel locken zahlreiche Schmetterlinge an – unter anderem den Braunfleckigen und Randring-Perlmuttfalter. Durch die gestiegene Feuchtigkeit wurde auch die Waldbirkenmaus nachweislich gefördert. Eine weitere seltene Art – der Warzenbeißer – ist auf der Fläche ebenfalls häufig anzutreffen.

Auf den Wiesenflächen zeigt sich eine hohe Vielfalt an Blüten: Vogelwicke, Heide-Nelke, Acker-Witwenblume, Niedrige Schwarzwurzel, Thymian, Kleine Bibernelle, Blutwurz, Kreuzblümchen, Habichtskräuter und weitere. Die im Rahmen der Renaturierung gepflanzten Arnika-Pflanzen haben bereits reichlich Samen gebildet. An mehreren Stellen sind in der lockeren Vegetation bereits Jungpflanzen frisch gekeimt und entwickeln sich gut in den wiederhergestellten Magerrasen. Nachdem sich die Art kurz vor dem Erlöschen befand, bestehen nun gute Chancen, dass die Art sich von hier weiter ausbreiten kann. Silberdisteln haben sich zu Hunderten an den Hangbereichen ausgebreitet, dort, wo einst Fichten die wertvollen Wiesenflächen zurückgedrängt hatten. Durch eine kleinteilige Pflege mit unterschiedlichen Mahd- und Weidezeitpunkten konnte eine sehr strukturreiche und vielfältige Fläche entstehen. Trotzdem bedürfen Teilbereiche mit beispielsweise der dominanten Seegras-Segge noch längere Zeit konsequenter Pflege, bis auch diese sich in die gewünscht artenreichen Bestände entwickelt haben.

Spezieller Schutz der Waldbirkenmaus
In dieser Landschaft konnten Populationen der winzigen Waldbirkenmaus (Sicista betulina) nachgewiesen werden. Deutschlandweit findet sich diese höchst seltene Art neben dem Bayerischen Wald nur in zwei weiteren Regionen – im Allgäu und in Schleswig-Holstein. Die Art bevorzugt vornehmlich feuchte Hochstaudenfluren und Feuchtgrünlandstandorte. Diese Flächen waren vor den Maßnahmen allerdings durch für die Art ungünstige Fichtenpflanzungen mehr oder weniger getrennt bzw. nur eingeschränkt nutzbar.

Um die Art dauerhaft zu schützen, ist eine ausreichend große und gesunde Population notwendig. Damit ein genetischer Austausch der (Teil-)Populationen möglich ist, ist es nötig, die Flächen miteinander zu vernetzen bzw. Korridore zu schaffen. Um diese Verbindung zu ermöglichen und langfristig zu sichern, haben wir neben der Pacht und Betreuung dieser Flächen am Paulinbach – wenige hundert Meter entfernt – auch am Brennerbach zwei neue Flächen unmittelbar an einer bestehenden Eigentums- und Birkenmaus-Nachweisfläche im Rahmen des Quervernetzungsprojekts angekauft. Diese Flächen werden nun im Rahmen des im Herbst 2024 gestarteten Projekt „Lebensraumoptimierung für die Waldbirkenmaus“ weiterentwickelt und optimiert. Und auch in diesem Projekt liegt der Fokus nicht nur auf der Waldbirkenmaus! Randring-Perlmuttfalter, Kreuzotter und Co. bedürfen nachhaltiger Schutzbemühungen, um auf solche Flächen zurückzukehren.
 

Wagenwasser: 

In der Gemeinde Philippsreut befindet sich zwischen Vorderfirmiansreut und der bayerisch-tschechischen Grenze eine große und gehölzreiche Offenfläche. Ein Bach, das sogenannte „Wagenwasser“, durchströmt diesen Komplex, fließt weiter Richtung Grenze und bildet diese später sogar. Kulturhistorisch wurden diese Flächen als Wässerwiesen genutzt, die nach dem Ende der landwirtschaftlichen Nutzung allerdings aufgeforstet wurden und sich zwischenzeitlich zu dichten, monotonen Fichtenforsten entwickelten. In der jüngeren Vergangenheit wurden diese wieder entfichtet und vom BN angekauft. Mittlerweile wurden mehrere Maßnahmen durchgeführt und eine Entwicklungspflege etabliert, die eine Rückentwicklung zu Feuchtstandorten und mehr struktureller Vielfalt ermöglicht hat. Dadurch profitieren nun zahlreiche Arten – darunter auch sehr seltene.  Mittels gezielter Maßnahmen auf den dortigen Projektflächen vernetzen wir die bayerische Kulturlandschaft mit einem großen Offenlandzug auf tschechischer Seite – direkt am Grünen Band Europa.

Die Umsetzung
So haben wir als erste Schritte hin zur Moorentwicklung Entwässerungsgräben verschlossen, damit das Wasser langsamer abfließt, länger auf der Fläche verbleibt und für nässere Verhältnisse sorgt. Dies hat einen positiven Effekt auf das Klima: Der noch gespeicherte Kohlenstoff verbleibt im feuchten Boden und wird nicht weiter wegen der Zersetzung ausgetrockneten Torfes als Kohlenstoffdioxid an die Luft abgegeben. Die gesteigerte Verdunstung und die entsprechende Verdunstungskühlung sorgen zudem für ein angenehmeres Lokalklima. Mittel- bis langfristig dürfte sogar wieder eine Torfbildung einsetzen und die Flächen als Kohlenstoffsenke aktiv zur Minderung des Klimawandels beitragen. Die Auswirkungen des Klimawandels wiederum werden durch das Wasser gepuffert.

Auch weitere Eigentumsflächen entlang des Wagenwassers wurden durch gezielte, kleinflächige Auflichtung offener gestaltet oder zumindest strukturell aufgewertet. Quellbereiche und Übergangsmoorbestände bekommen so wieder ausreichend Sonne und es kann sich eine entsprechende, naturnahe Vegetation wiedereinstellen. Eintönige Aufforstungen haben wir sukzessive in strukturreichere Fichtenmoorwälder umgewandelt.

Ohne weiteres Zutun würden auf dem beschriebenen Flächenkomplex durch natürliche Sukzession wieder Fichten und mooruntypische Laubhölzer wie Zitter-Pappel aufkommen. Das Feuchtgebiet würde somit wieder trockener beziehungsweise für viele wertgebende Arten zu schattig und dichtwüchsig werden.

Eine vollflächige Mahdpflege scheidet wegen der zahlreichen Nassbereiche und den Gräben auf der Fläche eher aus. Daher erfolgt eine Beweidung mit Robustrindern durch einen landwirtschaftlichen Betrieb aus der näheren Umgebung. Die Nasswiesen- und Flachmoor-Bestände bleiben durch die Beweidung mosaikartig in einem halboffenen Zustand, wovon neben der höchst seltenen Waldbirkenmaus auch eine große Zahl anderer Arten profitiert.

Zielarten
Lurche und Insekten fühlen sich in den feuchten, aber sonnigen Bereichen besonders wohl. Für sie wurden im Zuge der Pflege bereits Weiher und Tümpel angelegt. Durch die Anlage mehrerer unterschiedlich geformter kleiner Gewässer entstehen wertvolle Habitate für Libellen- und Amphibien-Arten, die auf den Lebensraum Moor spezialisiert sind. So nutzen heute mehrere Grasfrösche und Erdkröten die Fläche und die geschaffenen Laichgewässer. Im Zuge der Baggerarbeiten für die Kleingewässer wurden das anfallende Wurzelstockmaterial mit Steinen und Felsen zu Rückzugshabitaten aufgerichtet, an denen unter anderem Waldeidechse und Ringelnatter bereits nachgewiesen wurden. 

Von diesem Strukturangebot und dem Mosaik unterschiedlich hochwüchsiger Vegetationstypen und der gesteigerten Feuchtigkeit profitiert die Waldbirkenmaus (Sicista betulina). Sie liebt Hochstaudenfluren, Weidengebüsche und insektenreiche Feuchtwiesen oder sogar Magerrasen. Benachbarte, strukturreiche Gehölzbestände bieten ihr günstige Überwinterungsbedingungen.

Auch Wiesenvögel - wie Schwarzkehlchen und Wiesenpieper - können bei günstiger Entwicklung der Fläche im Schutz der Vegetation Nistplätze sowie reichlich Nahrung in Form von Insekten für ihren Nachwuchs finden. Das ist besonders wichtig, denn aufgrund des Insektensterbens finden die Vögel immer weniger Futter für die Jungen und können daher weniger Nachwuchs großziehen.

Auch floristisch profitiert die Fläche: Konkurrenzschwache Arten wie Krauses Greiskraut, Arnika, Habichtskräuter oder das Wald-Läusekraut sollten sich wieder ansiedeln können bzw. wurden bewusst wieder zurückgebracht. Die Beweidung fördert deren Etablierung bzw. sichert deren Fortbestand. Das regional höchst seltene Fettkraut – eine fleischfressende Moorpflanze – kommt hier in vom Viehtritt offengehaltenen Feuchtstellen vor.

Unterstützung durch den Bund Naturschutz 
Um die Flächen zu entwickeln, organisieren und finanzieren wir im Rahmen des Quervernetzungsprojekts eine extensive Beweidung. Aufgrund der hohen winterlichen Schneelage und zum Erhalt der Durchgängigkeit der Landschaft für Wildtiere ist ein mobiles Zaunsystem mit festen Eckstempen eingerichtet worden. Der mobile Teil wird nach Abschluss der Beweidung alljährlich abgebaut.

Eine benachbarte Nasswiese wurde im Zuge des Projekts dann ebenfalls wieder alljährlich einer naturschutzorientierten Mahdpflege unterzogen, welche örtliche Landwirte nicht mehr bewerkstelligen konnten.

Verbundkorridor
Damit nicht genug: Im Bereich des Wagenwassers liegt ein ehemaliger, wichtiger Offenland-Verbundkorridor zwischen Tschechien und Vorderfirmiansreut. Solche Wanderkorridore, die teilweise im Zuge von Aufforstung und Wiederbewaldung unterbrochen wurden, sind von größter Bedeutung für die Biodiversität und die genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Der halboffene Korridor setzt sich aus gemanagtem, also zumindest gelegentlich gemähtem oder beweidetem Grünland, lichten Moorwäldern und strukturreichen Mischwäldern zusammen. Nur durch sie werden nun einzelne Populationen wieder miteinander vernetzt. Das kommt vor allem kleineren oder weniger mobilen Arten zugute – etwa flugunfähigen Insekten, aber auch der anspruchsvollen Waldbirkenmaus. Um diese Springmausart in der Region weiter zu fördern hat der BUND mit dem im Herbst 2024 gestarteten Projekt „Lebensraumoptimierung für die Waldbirkenmaus“ ein weiteres Projekt im Bereich des praktischen Naturschutzes ins Leben gerufen