Steinriegel
Ein typisches Element der historischen Kulturlandschaft im Bayerischen Wald
Steinriegel gelten als ein typisches Element der alten Kulturlandschaft im Bayerischen Wald. Sie entstanden auf den Rändern der als Acker genutzten Flurstücke durch Ablagerung von nach der Bodenbearbeitung gesammelten Steine. Diese Grenzen der Nutzflächen wurden so gelegt, dass größere Felsvorkommen und Quellbereiche oft den Kern der Steinriegel bildeten, und so außerhalb der eigentlichen Nutzfläche lagen.
Steinriegel entstanden mit Anfang der Besiedlung, ein wesentlicher Teil der Steinansammlungen stammen aus der Zeit der maschinellen Bodenbearbeitung, durch tieferes Pflügen, Planierungen, gezielte Beseitigung auch großer Felsen und auch durch Sprengung. Das erfolgte nicht nur auf Ackerflächen, sondern auch im Grün- und Ödland, mit vielfach sehr stein- und felsreichen Böden. Diese Entwicklung setzte schon Ende 1700 ein, und wurde dadurch verstärkt, dass parallel ein Bedarf entstand nach Steinen für Hausbau und die Anlage und Festigung von Gemeindeverbindungsstraßen und Forstwegen. Neben Steinen aus oft sehr kleinen, lokalen Gruben, wurden auch brauchbare Steine aus der intensivierten Bodenbearbeitung dazu verwendet. Steine zu liefern ermöglichte einen Nebenerwerb, es entstanden regional organisierte „Entsteinungsverbände“.
Steinriegel gab es wohl immer auch in Gärten. Beim Aushub der Baugrube für Häuser, Geländegestaltung, Anlage von Garten oder Obstwiese fiel und fällt oft weit mehr Steinmaterial an als beim Bau und der Festigung der Wege verwendet werden können. Große Felsen werden gezielt oder zwangsmäßig zu Gestaltungselementen, die Überschüsse an Lesesteinen bilden Steinriegel auf Böschungen und Flurgrenze, ähnlich wie die Riegel in der Kulturlandschaft, mit denen sie oft ein verzahntes Netzwerk bilden, in denen auch Waldränder und Gehölzstreifen entlang Gewässern eingebunden sind.
Damit ist klar, welch wichtige Funktion mit Gehölzen bewachsene und weitgehend gehölzfreie Steinriegel in unserer Landschaft haben. Sie sind Versteck, Wohnraum- und Lebensraum und noch dazu Bindeglied zwischen Lebensräumen, sowie Wanderstrecke für Tiere und Pflanzen. Über Steinriegel erfolgt der Austausch zwischen Lebensräumen, werden neue Lebensräume besiedelt, sie helfen Schmetterlingen, Hummeln und Wildbienen bei der Orientierung in der Landschaft, erschließen die Jagdgebiete von Fuchs, Mardern, Fledermäuse und Greifvögeln, spielen eine große Rolle bei der Balz und Revierabgrenzung von Schmetterlingen, Vögeln und Säugetieren. Für Zugvögel und nach neuen Revieren suchenden jungen Säugetiere sind sie wichtig als Rast- und Nahrungsplatz. Bemühungen im Garten einen Beitrag zum Artenschutz zu leisten führen wesentlich leichter zum Erfolg, wenn der Garten mehr oder wenig in solch ein Netzwerk eingebunden ist, oder an einen naturnahen Lebensraum grenzt.
Als Lebensraumelement im Garten ist ein Steinriegel vergleichbar mit einem Totholz- oder Astriegel. Es bietet Verstecke und Wohnraum, bei tief in den Boden reichenden Felsen und Spalten auch über den Winter. Würmer, Schnecken, Spinnen, Insekten und Samen, angesammelt oder an Gehölzen und toten Stängeln hängend, sind für Säuger und Vögel wichtig als Nahrung.
Eine wesentliche Bedeutung erfüllen Steinriegel beim Schutz vor Erosion durch Wind und über die Bodenoberfläche abfließendes Schmelz- oder Regenwasser, sie fördern die Einspeisung ins Grundwasser. Als Windbremse und über die Verdunstung verbessern sie das Mikroklima, als Hecke dienen sie als Lärm- und Staubfilter. Diese Funktionen erfüllen sie in der offenen Kulturlandschaft und im Siedlungsbereich. Erst seit wenigen Jahrzehnten hat der Schutz unserer Böden die politische Agenda erreicht, und es wächst das Bewusstsein, dass dies das Fundament sein muss für Klimaschutz und Steigerung und Erhalt der Biodiversität. Am weitesten gediehen ist dieser Gedanke, wenn es Moorböden betrifft. Der Schutz der Moore war in der Kreisgruppe Freyung-Grafenau schon immer ein wichtiger Tätigkeitsbereich, und bekam mit den Erwerb der Klimaschutzflächen über das Bayerische Klimaschutzprogramm und das EU-Projekt ,,Leben für Moore = Life for Mires''
eine zentrale Bedeutung. Genauso wichtig war der Kreisgruppe immer der Erhalt der Steinriegel, weil sie eine Voraussetzung bilden für Bodenschutz. In der schnelllebigen Zeit ist weitgehend vergessen, dass der Streit um den Erhalt der Steinriegel, Ranken und Feuchtflächen mit über 30 Flurbereinigungsverfahren, neben der Rettung der Ilz und einer Reihe von Artenschutz-Projekten, die Aktivitäten der 70-er bis 90-er Jahre prägte.
Durch den Schwund der Ackernutzung entstehen keine neuen Steinriegel mehr, die alten sind vergrast oder durch Gehölzwuchs zum Teil von Hecken und Waldrändern geworden. Diese Entwicklung macht sie zu neuen, ebenso wichtigen Landschaftselementen, aber es bedeutet, dass auf offene Riegel angewiesene, einst typische Bewohner des Bayerischen Waldes, ganz oder nahezu verschwunden sind. Heckenpflege kann dort kurzfristig und teilweise eine Lösung sein. Im Landschaftspflege-Projekt Bischofsreuter Waldhufen wurde die Pflege vor einigen Jahren verstärkt zum Aufgabenbereich. Geplant ist auch der Bau neuer Steinriegel. Dabei gab es schon Maßnahmen auf BN-Flächen und weitere sind noch geplant. (Text: K.Kleijn)