Tag der Botanischen Wanderung - Böhmischer Enzian
Wanderung zu einem Sorgenkind der Naturschützer
Böhmischer Enzian war Thema beim Tag der Botanischen Wanderungen
FRG. Fachleute und interessierte Naturfreunde aus der ganzen Region fanden sich zum „Tag der Botanischen Wanderung“ im nordöstlichen Teil des Landkreises Passau ein. Neben der Botanischen Arbeits- und Schutzgemeinschaft Bayerischer Wald hatten mehrere Naturschutzorganisationen und -einrichtungen eingeladen. In der Nähe der Landkreisgrenze bei Sonnen besuchten die Teilnehmer einen Standort, an dem vor gut einem Vierteljahrhundert ein Restvorkommen einer extrem seltenen Art gefunden wurde. Die Rede ist vom Böhmischen Enzian.
Zur Erhaltung und Sicherung wurde seinerzeit jene Fläche, eine artenreiche Magerwiese, durch den Landkreis Passau aus Gründen des Artenschutzes angekauft. Die Betreuung dieser botanischen Rarität liegt in der Hand der staatlichen Fachstellen des Naturschutzes. Seither wird versucht durch ein geeignetes Management das Vorkommen des Böhmischen Enzians zu erhalten und zu sichern. Anfangs waren die gezielten Fördermaßnahmen durchaus erfolgreich. Freilich sei dieser Versuch zur Erhaltung dieses Vorkommens letztlich leider doch gescheitert, wie die begleitenden Fachleute bedauerten.
Alle übrigen Standorte in Bayern, auf dem die stark rückläufige Art noch bekannt geworden ist, liegen im Landkreis Freyung-Grafenau. Immerhin waren vor gut 25 Jahren noch gut ein Dutzend Stellen bekannt, die damals systematisch erfasst wurden. Trotz vielfältiger und intensiver Bemühungen ist die Art dem größeren Teil der Flächen mittlerweile verschwunden. Auf der anderen Seite der Grenze, im Böhmischen, werden ähnliche Beobachtungen gemacht. Die Art geht dramatisch zurück – es ist sprichwörtlich „fünf vor zwölf“ – mit einem vollständigen Aussterben ist leider zu rechnen.
Aus diesem Grund wird auf bayerischer Seite wie auch im angrenzenden Mühlviertel zu erheblichen Maßnahmen gegriffen. Zwischenzeitlich ist es gelungen, die Pflanze gärtnerisch zu kultivieren und mit Hilfe der nachgezüchteten Samen werden Aussaatversuche an geeigneten Standorten unternommen. Für Naturfreunde sind die kleinen, schneckensicher eingezäunten Flächen zweifellos gewöhnungsbedürftig. Der beauftragte Fachmann, Thomas Zipp, gab einen Überblick über dieses neuartige Programm. Und er konnte auch berichten, dass die erfolgreichsten Aussaaten eher in den höheren Lagen des Bayerischen Waldes zu finden gewesen wären. Den Teilnehmern an der Wanderung wurde klar, dass es derzeit noch kein schlüssiges Konzept zur Erhaltung dieser attraktiven Art gibt.
Es gilt zu bedenken: Die Pflanze ist „zweijährig“, das heißt sie muss sich immer wieder neu aussäen. Dazu muss sie sich gegen die Konkurrenz der übrigen Wiesenbewohner durchsetzen. Der Böhmische Enzian bildet relativ kleine, unscheinbare Rosetten, mit der Entwicklung des Blütenstandes, in der Regel im Spätsommer des darauffolgenden Jahres endet das Leben der Einzelpflanze. Der Lebenszyklus beginnt von neuem. Noch dazu gehört die Arten zu einer größeren Gruppe von Pflanzenarten, die auf die Beweidung der Fläche durch Huftiere angewiesen sind. Jedoch, allein mit der Beweidung ist es noch nicht getan! Es spielen für den Rückgang beziehungsweise für das Verschwinden auf jeden Fall noch eine Reihe weiterer Faktoren eine Rolle. Doch welche? Hierauf meinte Thomas Zipp: „Wir wissen es schlichtweg nicht.“ So müssen fürs Erste weiterhin gärtnerische Methoden herhalten, will man diese attraktive, heimische Arte erhalten. Wo sie doch auch zu den Arten gehört, die ausschließlich in unserer Region vorkommen, Fachleute bezeichneten sie als „endemisch“, wie Thomas Zipp erklärte. „Und dass bedeutet auch, dass wir in unserer Region eine besondere Verantwortung tragen,“ waren sich die Wanderer einig zum Abschluss der Tour. (Text: Michael Haug)