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Berichte

Moor- und Feuchtgebietsentwicklung am Wagenwasser

In der Gemeinde Philippsreut befindet sich zwischen Vorderfirmiansreut und der bayerisch-tschechischen Grenze eine große und gehölzreiche Offenfläche. Ein Bach, das sogenannte „Wagenwasser“, durchströmt diesen Komplex, der praktisch unmittelbar an der Grenze liegt. Kulturhistorisch wurden diese Flächen als Wässerwiesen genutzt, die nach dem Ende der  landwirtschaftlichen Nutzung allerdings angepflanzt wurden und sich zwischenzeitlich zu dichten, monotonem Fichtenforsten entwickelten. In der jüngeren Vergangenheit wurden diese wieder entfichtet und vom BN angekauft. Mittlerweile wurden Erstmaßnahmen durchgeführt und eine Entwicklungspflege etabliert, welche eine Rückentwicklung zu Feuchtstandorten ermöglichen wird.

Maßnahmen
So haben wir als erste Schritte hin zur Moorentwicklung Entwässerungsgräben verschlossen, damit das Wasser langsamer abfließt und länger auf der Fläche verbleibt. Dies hat einen positiven Effekt auf das Klima: Der noch gespeicherte Kohlenstoff verbleibt im feuchten Boden und wird nicht weiter wegen der Zersetzung ausgetrockneten Torfes als Kohlenstoffdioxid an die Luft abgegeben. Mittel- bis langfristig dürfte sogar wieder eine Torfbildung einsetzten und die Flächen als Kohlenstoffsenke aktiv zur Minderung des Klimawandels beitragen.

Auch weitere Eigentumsflächen entlang des Wagenwassers werden durch gezielte, kleinflächige Auflichtung offener oder zumindest strukturell aufgewertet. Quellbereiche und Übergangsmoorbestände sollen wieder ausreichend Sonne bekommen und sich eine entsprechende, naturnahe Vegetation wiedereinstellen können. Eintönige Aufforstungen wandeln wir sukzessive in strukturreichere Fichtenmoorwälder um.

Ohne weiteres Zutun würden auf dem beschriebenen Flächenkomplex durch natürliche Sukzession wieder Fichten und mooruntypische Laubhölzer wie Zitter-Pappel aufkommen. Das Feuchtgebiet würde somit wieder trockener beziehungsweise für viele wertgebende Arten zu schattig und dichtwüchsig werden.

Eine vollflächige Mahdpflege scheidet wegen der zahlreichen Nassbereiche und den Gräben auf der Fläche eher aus. Daher erfolgt eine Beweidung mit Robustrindern durch einen landwirtschaftlichen Betrieb aus der näheren Umgebung. Die Nasswiesen- und Flachmoor-Bestände werden durch die Beweidung strukturreicher, wovon neben der höchst seltenen Waldbirkenmaus auch eine große Zahl anderer Arten profitiert.

Wichtige Arten
Lurche und Insekten fühlen sich in den feuchten aber sonnigen Bereichen besonders wohl. Für sie wurden im Zuge der Pflege bereits Weiher und Tümpel angelegt. Durch die Anlage mehrerer unterschiedlich geformter kleiner Gewässer entstehen wertvolle Habitate für Libellen- und Amphibien-Arten, die auf den Lebensraum Moor spezialisiert sind. Im Zuge der Baggerarbeiten für die Kleingewässer wurden anfallendes Wurzelstockmaterial mit Steinen und Felsen zu Rückzugshabitaten unter anderem für Waldeidechse und Ringelnatter aufgerichtet.

Auch Wiesenvögel - wie Schwarzkehlchen und Wiesenpieper - können bei günstiger Entwicklung der Fläche im Schutz der Vegetation Nistplätze sowie reichlich Nahrung in Form von Insekten für Ihren Nachwuchs finden. Das ist besonders wichtig, denn aufgrund des Insektensterbens finden die Vögel immer weniger Futter für die Jungen und können daher weniger Nachwuchs großziehen.

Auch ein besonderer und seltener Käfer lebt auf den Flächen: Der akut vom Aussterben bedrohte Hochmoor-Laufkäfer. Der schwarzglänzende Käfer ist eine Eiszeitreliktart. Die Art hat nur an einzelnen Stellen überlebt und kann sich kaum selbst ausbreiten, da er flugunfähig ist.

Er kommt in Bayern nur im Bayerischen Wald und zwei weiteren Gebieten vor! Er besiedelt Moorbereiche mit hoher Bodenfeuchtigkeit und wird durch unsere Maßnahmen geschützt und aktiv gefördert. Auch floristisch profitiert die Fläche: Konkurrenzschwache Arten wie Krauses Greiskraut, Arnika, Silberdistel und Wald-Läusekraut sollten sich wieder ansiedeln können bzw. werden bewusst wieder zurückgebracht. Die Beweidung wird deren Etablierung fördern bzw. deren Fortbestand sichern.

Unterstützung durch den Bund Naturschutz 
Um die Flächen zu entwickeln, organisieren und finanzieren wir im Rahmen des Quervernetzungsprojekts eine extensive Beweidung. Aufgrund von der hohen winterlichen Schneelage und zum Erhalt der Durchgängigkeit der Landschaft für Wildtiere ist ein mobiles Zaunsystem mit festen Eckstempen eingerichtet worden. Der mobile Teil wird nach Abschluss der Beweidung alljährlich abgebaut.

Verbundkorridor
Damit nicht genug: Im Bereich des Wagenwassers liegt ein ehemaliger, wichtiger Offenland-Verbundkorridor zwischen Tschechien und Vorderfirmiansreut. Solche Wanderkorridore, welche teilweise im Zuge von Aufforstung und Wiederbewaldung unterbrochen wurden, sind von größter Bedeutung für die Biodiversität und die genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Die halboffenen Flächen setzen sich aus gemanagtem, also zumindest gelegentlich gemähtem oder beweidetem Grünland, lichten Moorwäldern und strukturreichen Mischwäldern zusammen.

Nur durch sie werden einzelne Populationen miteinander vernetzt. Das kommt vor allem kleineren oder weniger mobilen Arten zu Gute, beispielsweise flugunfähigen Insekten. Damit vernetzen wir über die dortigen Projektflächen am Grünen Band Europa die bayerische Kulturlandschaft mit einem großen Offenlandzug auf tschechischer Seite.