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Berichte

Wasser und Klima in Bayern

Wasserhaushalt in der Abwärtsspirale

Abwärtsspirale oder Teufelskreis – egal wie man es bezeichnet, klingt es nicht gut. Doch genau so steht es um den Wasserhaushalt in Bayern. Die Ursachen und Folgen scheinen klar: Der Temperaturanstieg des globalen Klimawandels und die Tatsache, dass der wenige Niederschlag im Sommer als heftiger, kurzer Regenguss niedergeht. Dadurch trocknen unsere Wälder, Wiesen und Äcker aus und uns bleibt nicht viel mehr übrig als auf die negativen Folgen zu reagieren.

Doch was, wenn sich hier Ursache und Wirkung nicht wirklich trennen lassen? Was, wenn die Ursachen nicht nur globaler Natur sind, sondern die Entwicklungen vielmehr auf unser Handeln vor Ort zurückzuführen sind und wir wesentlich mehr tun können, als nur die Symptome zu mildern?

Eine Zusammenschau von Tobias Windmaißer, unter Einbezug mehrerer Vorträge von Prof. Karl Auerswald sowie Informationen von Anton Lenz, Karel Kleijn und einigen mehr

Wasser verdunstet über dem Meer und zieht als Wolken über das Festland, die sich dort abregnen. Der Niederschlag speist die Flüsse, welche das Wasser wieder zurück ins Meer bringen. So die allgemeine Annahme, die auch knapp zur Hälfte zutrifft. Etwas mehr als die Hälfte unseres Niederschlags allerdings, nämlich 50 bis 65 % (Kravčík et al. 2007), stammt nicht aus dem Meer, sondern aus der Verdunstung über dem Land. Auch hier geht eine enorme Menge Wasser, direkt aus dem Boden oder über die Pflanzendecke, in Wasserdampf über, welcher Wolken und Nebel bildet. Dieses Wasser regnet sich – sofern nicht von Winden abgedriftet – wieder ab oder benetzt als Tau des Morgens unsere Landschaft. Diese lokalen Schauer füllen die normalerweise allgegenwärtigen Wasserspeicher (Grundwasser, Hangsickerwasser, Stillgewässer etc.) wieder auf. Ein kleiner Wasserkreislauf sozusagen.

Doch genau in diesen kleinen Wasserkreislauf haben die Umgestaltung der Landschaft und unsere derzeitige Form der Landbewirtschaftung massiv eingegriffen. Flächen wurden und werden versiegelt. Über Jahrzehnte war die allgegenwärtige Devise, Wasser möglichst schnell und effektiv aus Wiesen, Äckern, Wäldern und Siedlungen zu bekommen und abzuleiten. Entwässerungsgräben und Wegseitengräben bilden ein künstliches Netz an wasserableitenden Strukturen. Viele Drainagen sind notwendig, um die Bewirtschaftung von Flächen sicherzustellen, entwässern dabei aber weite Teile der Landschaft. Somit werden wesentlichen geringere Mengen an Wasser in den Böden und Stillgewässern zurückgehalten als eigentlich möglich. Sobald das verbliebene Wasser zuneige geht bzw. in Trockenphasen aufgebraucht ist, können Böden und Vegetation kaum mehr Wasser abgeben und es verdunstet weniger Wasser als die sich aufheizende Luft bestrebt ist aufzunehmen. Doch diese sogenannte Evapotranspiration, also der Gesamtverdunstung der Pflanzen, der Böden und Gewässer, würde bewirken, dass sich die Umgebung nicht so stark aufheizt. In einem wasser­gesättigten System gingen bis zu 70 % und mehr der eingestrahlten Sonnenenergie in die Bildung von Wasserdampf über und nur 5 bis 10 % würden in fühlbare Wärme umgewandelt. Ist aber nur wenig Wasser vorhanden, das verdunsten kann, gehen umgekehrt nur 5 bis 10 % in Evapotranspiration während bis zu 70 % der eingestrahlten Energie in Hitzebildung enden (Kravčík et al. 2007).

Ein System mit Wasserdefizit heizt sich während Trockenzeiten auf und zugleich fehlt der Wasserdampf, um über den kleinen Wasserkreislauf zu lokalen Regenschauern zu führen, welche die Wasservorräte wieder auffüllen könnten.

Eine wassergesättigte Landschaft dagegen speichert einen Großteil der Sonnenergie in der Bildung von Wasserdampf, der wiederum über den kleinen Wasserkreislauf im System bleibt. Das Gebiet heizt sich nicht übermäßig auf und es kommt zu regelmäßigen und gemäßigten Niederschlägen.

Auch Letzteres gestaltet sich in ausgetrockneten Systemen anders. Hier kommt es seltener und dafür zu heftigeren Starkregenereignissen, wenn feuchte Luftmassen von den Ozeanen heranziehen (Kravčík et al. 2007). Diese Niederschläge wiederum werden noch schlechter von den ausgetrockneten Böden aufgenommen und fließen meist einfach aus der Landschaft ab, ohne nennenswert zu versickern. Erneut entsteht ein Wasserdefizit, doch zeitgleich nehmen Hochwasserereignisse immer weiter zu. Ein Teufelskreis oder eine Abwärtsspirale also – ausgelöst nicht allein von der globalen Temperatur­erhöhung.

Professor Karl Auerswald bezeichnet dies als den „landnutzungsgetriebenen Klimawandel“. Seine These: Die gezielte oder unbewusste Entwässerung der Landschaft hat – unabhängig vom CO2-getriebenen, globalen Klimawandel – für einen Temperaturanstieg in Mitteleuropa gesorgt.

Nun verstärken sich beide Prozesse noch gegenseitig, zumal vermutlich der globale Klimawandel zu einer Niederschlagsverschiebung vom Sommerhalbjahr ins Winterhalbjahr führt und insbesondere, da die Tendenz zu Starkregenereignissen weiter zunehmen wird. Die Regenerosivität, also das Potenzial des Regens, Erosion auszulösen, und ein Maß für die Heftigkeit der Niederschläge, hat sich seit den 1960er-Jahren verdoppelt (Auerswald et al. 2019 a). Wissenschaftliche Auswertungen zeigen, dass dieser Trend sich fortsetzen und bis 2050 eine Verdreifachung eingetreten sein wird (Auerswald et al. 2019 b). Dies ist die Folge der fatalen Koppelung mehrerer Faktoren, die sich oder die wir – teils unabhängig voneinander – in die selbe negative Richtung verändert haben.

Einziger Lichtblick am Horizont ist, dass eine Temperaturerhöhung, zumindest für unsere Breiten, nicht per se mit Trockenheit und Extremwetterereignissen einhergehen muss. Wasserreiche Landschaften können steigende Temperaturen abpuffern und bei hohem Wasserdampfgehalt bilden sich häufige, in der Regel gemäßigtere Niederschläge (Kravčík et al. 2007). Dieser Zustand kann allerdings nur durch ein Bündel an Maßnahmen in unterschiedlichsten Bereichen geschaffen werden. Dessen Erreichen aber stellt letztlich neben der Verringerung des CO2-Ausstoßes – der global betrachtet, leider in ziemlich weiter Ferne scheint – den bedeutendsten Ansatz dar, die Temperaturerhöhung zu bremsen und mit den Folgen des globalen und des landnutzungsgetriebenen Klimawandels zurecht zu kommen.

Die Ansatzmöglichkeiten können hier nur grob skizziert werden: Versiegelung muss eingebremst und so weit als irgendwie möglich als Teil-Versiegelung gestaltet oder rückgebaut werden. Innerstädtische Flächen sollten sowohl Regenwasser zurückhalten oder versickern lassen als auch über Grünflächen eine hohe Verdunstung aufweisen. In Wald und Flur stehen zwei Aspekte im Vordergrund: In Hanglagen muss die Entwässerungswirkung von Wegseitengräben massiv verringert und eine breite Verrieselung oder ein Versickern des im Graben gesammelten Wassers ermöglicht werden. Spätestens nach einem Wegedurchlass also muss sich das Wasser in einem naturnahen Laubholzbestand oder ein einer Feuchtfläche wieder verteilen können. Feuchtbereiche müssen insgesamt besser geschützt, ausgeweitet oder neu angelegt werden. Nur durch die Kombination dieser Maßnahmen kann sichergestellt werden, dass das Wasser in der Landschaft zurückgehalten wird, den Pflanzen zur Verfügung steht und verdunsten kann. Bei bestehenden Drainagen und besonders bei deren Instandsetzen sollte gut durchdacht sein, wo diese noch Sinn machen und wo diese gegebenenfalls auch entfernt werden könnten. Die Schaffung intakter Auwälder und bei Hochwasser rasch ausufernder Bach- und Flusssysteme ist ebenfalls von elementarer Bedeutung im Kontext der Grundwasserbildung. Im landwirtschaftlichen Bereich kommt noch ein sehr bedeutender Faktor hinzu, nämlich die Verdichtung. Verdichtung stört die ausreichend tiefe Durchwurzelung und damit das Erreichen tieferer Bodenschichten durch die Kulturpflanzen (Quelle: Vortrag von Prof. Karl Auerswald). In der Folge ziehen die Pflanzen ihr Wasser vorwiegend aus dem Oberboden und trockenen diesen übermäßig aus. Wegen stark verringerter Evapotranspiration kommt es insbesondere auf spärlich bewachsenen Flächen oder frisch abgeernteten Flächen zu einem übermäßigen Aufheizen. In Folge der oberflächlichen Austrocknung kann noch weniger Niederschlag eindringen und fließt oberflächlich ab. Erst bei ergiebigeren und lange anhaltenden bzw. kurz aufeinander folgenden Niederschlägen dringt Wasser in den Boden ein. Die Bodenverdichtung erschwert dann aber zusätzlich dessen Sickern in die Tiefe. Diese Wechselwirkungen stellen einen ausgesprochen bedeutenden Einflussfaktor für den kleinen Wasserkreislauf dar. Entsprechend ist ein Bündel an Maßnahmen notwendig, um die negativen Wechselwirkungen zu unterbinden. Elementar sind insbesondere die Erhöhung des Anteils organischer Substanzen, also auch des Humusanteils im Boden, beispielsweise durch Mulchsaatverfahren oder Zwischenfruchtanbau, die Verkürzung von Hanglängen, die Verkleinerung von Schlägen (Parzellierung der Landschaft) oder die Schaffung windreduzierender Strukturen wie vertikal angeordnete Solarmodule oder besser noch Hecken. Verringerung der Maschinengewichte und der Zahl der Überfahrten gilt es anzugehen. Allgemein dürften besonders jene Maßnahmen entscheidend sein, welche die Regenwurmdichte – sowohl im Grünland als auch auf dem Acker – erhöhen, da Wasser kaum schneller und effektiver in den Boden gelangen kann als über Regenwurmgänge. Bei solchen Maßnahmen wird zudem meist CO2 im Boden in Form von Humus gebunden und damit der Luft entzogen. Nicht zuletzt können die Revitalisierung von Moor- und Feuchtgebieten sowie die Schaffung zahlloser kleiner Wasserrückhaltestrukturen in der Landschaft wichtiger Ansatzpunkte sein, um für ein besseres Regionalklima zu sorgen, was letztlich der Gesamtlandschaft und der land- und forstwirtschaftlichen Produktivität zu Gute kommt.

Fazit

Die Landschaft wurde gezielt um Elemente „bereinigt“, welche entscheidend für ein günstiges Regionalklima sind, nämlich insbesondere Hecken und Feuchtgebiete. Grünland ist überwiegend drainiert und/oder übermäßig verdichtet. Zu intensive Bewirtschaftung verringert vielerorts die Regenwurmdichte und die Wurzeltiefe der Pflanzen. Monoton bewirtschaftete Ackergebiete mit hohen Anteilen vegetationslosen Bodens können aus den oben genannten Gründen nahezu den gesamten Sommer sich selbst und die Luftsäule darüber übermäßig aufheizen. Wegseitengräben und eingetiefte Bäche entziehen den Wäldern so viel Wasser, dass sogar dort die Verdunstungskühlung erheblich eingeschränkt ist und dieser Landnutzungstyp die ihm zugewiesenen Funktionen im Kampf gegen den Klimawandel nicht mehr vollends erfüllen kann und selbst darunter leidet. Der überwiegende Anteil unserer Landschaft trägt demnach nicht mehr in dem Maße zum kleinen Wasserkreislauf bei, wie er es sollte. In der Folge kommt es, aufgrund verringerter Wassersättigung in Boden und Feuchtgebieten und damit letztlich auch in der darüber gelegenen Luft, zu selteneren, dafür heftigeren Niederschlägen. Diese führen – besonders wegen wasserableitender Strukturen in Wald und Flur sowie negativ beeinflusster Bodenstruktur – zu zunehmend gravierenden Hochwasserspitzen. Das Erreichen eines guten ökologischen Zustands in den Gewässern wird unter diesen Voraussetzungen selbst bei hohen Ambitionen bei der Fließgewässerrenaturierung kaum zu realisieren sein. Die Prozesse können sogar bei anderweitig unberührten Abschnitten zu erheblichen Verschlechterungen führen.

Die „Wetterkapriolen“ der vergangenen Jahre legen nahe, wie weit sich der kleine Wasserkreislauf unserer Landschaft schon in der Abwärtsspirale befindet. Egal wie groß – relativ zur Bedeutung des globalen CO2-Anstiegs – der negative Einfluss durch die gegenwertige Landnutzung letztlich ist, steht eines fest: Je mehr und je länger wir Wasser in der Landschaft halten, umso besser können wir den globalen Klimawandel abfedern und dessen Auswirkungen entgegenwirken. Letztlich sind die dafür entscheidenden Themen und Maßnahmen vor allem solche, denen wir uns seit längerem annehmen oder aus anderen Gründen ohnehin annehmen sollten. Jetzt ist der Punkt, an dem alle Bereiche gefordert sind, die Ziele neu zu stecken und die Maßnahmen unmittelbar zu ergreifen. Je später man anfängt, umso schwieriger wird es, aus einem Teufelskreis wieder herauszukommen. Sektorenübergreifendes Handeln ist gefragter denn je. Gehen wir´s gemeinsam an.


Fragen, Anregungen oder Kritik gerne per Email an: t.windmaisser@t-online.de